Vereinfacht ausgedrückt wiederholt das Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 18. Dezember 2007 (9 A 3648/04) Forderungen aus der Vergangenheit:
Gebührenschuldner sollen nach einem möglichst „gerechten“ Maßstab veranlagt werden. Dafür sieht das Kommunalabgabengesetz NRW die Berechnung nach dem „Wirklichkeitsmaßstab“ vor, § 6 Abs. 3 S. 1 KAG NRW. Wenn die Berechnung nach dem „Wirklichkeitsmaßstab“ besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, muss aber zumindest ein „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ gewählt werden, § 6 Abs. 3 S. 2 KAG NRW.
Die alleinige Berechnung der Abwassergebühr nach der Menge des verbrauchten Frischwassers genügt nicht mehr den Anforderungen, die von dem Wirklichkeits- bzw. dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegeben werden! Denn der Frischwasserverbrauch allein ist keine geeignete Bemessungsgröße, die einen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird. Den Gemeinden und Städten ist es heute möglich und zumutbar, bei der Berechnung der Abwassergebühr die ungefähre Menge des zu erwartenden Niederschlagswassers zu berücksichtigen. Andernfalls müsste z. B. für ein Grundstück, welches die Abwasseranlagen mit großen Mengen von Niederschlagswasser belastet, keine Abwassergebühr entrichtet werden, wenn kein Frischwasser verbraucht würde. Dies entspricht nicht den Anforderungen an einen „gerechten Gebührenmaßstab“.
Städte und Gemeinden, die in ihrer Abwassergebührensatzung die anteilige Menge des zu erwartenden Niederschlagswassers bei der Berechnung der Höhe der Gebühren unberücksichtigt lassen, erheben also Gebühren anhand einer diesbezüglich rechtswidrigen Satzung!
Insbesondere Gebührenschuldner, welche die Abwasseranlagen voraussichtlich nur mit einem kleinen Anteil von Niederschlagswasser belasten, werden also benachteiligt und können ggf. den Abgabenbescheid der Kommunen erfolgreich angreifen.
cherel meint
REGENWASSERGEBÜHR/GRUNDSTÜCKSENTWÄSSERUNG
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich wohne in einer Samtgemeinde in Niedersachsen im südlichen Teil der Lüneburger Heide. Für unsere Trink- und Abwasserentsorgung ist ein Wasserverband zuständig der für die Regenwasserentsorgung noch keine gesplittete Abwassergebühr eingeführt hat. Da bei uns meist sandiger Boden vorherrscht und eine Versickerung des anfallenden Regenwassers auf den Grundstücken problemlos möglich ist, gibt es Orte in der Samtgemeinde deren Grundstücke nur teilweise und manche überhaupt nicht an die Regenwasserentwässerung angeschlossen sind.
Der Anteil der Grundstücke die keinen Anschluss an den Regenwasserkanal haben, liegt bei ca. 20 – 30 %.
Da ja ca. 70 % der Grundstücke einen Regenwasseranschluss haben, entstehen auch laufende Kosten für den Betrieb, die Reparatur und Reinigung der Abwasseranlagen.
Wie eingangs erwähnt, wird die anteilig Gebühr für das Regenwasser in einer „Abwassergebühr“ nach dem Frischwassermaßstab erhoben erhoben.
Die Abwassergebühr ist für alle Kunden, die einen Schmutzwasseranschluss haben, gleich. Es gibt keine geringere Gebühr für die Kunden die nicht an einem Regenwasserkanal angeschlossen sind. Viele können auch gar nicht angeschlossen werden, das keinen Regenwasserkanal in der Straße vor ihrem haus gibt.
Hier werden Gebühren von Kunden eingefordert, die die abgerechnete Leistung nicht in Anspruch nehmen bzw. auch nicht können.
Ist das noch rechtmäßig und erlaubt???
MfG
CHEREL
Bernd Kaufmann meint
Zu Cherel
Ich gehe davon aus, daß der Wasserverband ein Entgelt erhebt und keine Gebühr.
Für Gebühren gibt es inzwischen Urteile des OVG Münster, des Obersten Gerichtshofes Baden-Württemberg und desgleichen in Hessen, die eine ungesplittete ABwassergebühr für Verfassungswidrig halten und daher unzulässig ist. Dieser Einschätzung hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Im Bereich Abwasserentgelt liegt beim BGH ein entsprechendes Verfahren an, das bisher jedoch noch nicht entschieden ist.
mfg
Bernd Kaufmann
cherel meint
Nachtrag zu meinem Schreiben vom 26.10.2010
In der Abwasserpreisliste des Wasserverbandes gibt es einen allgemeinen Abwasserpreis der sich nach der entnommenen Trinkwassermenge richtet.
Eine Information oder Hinweis, das der Abwasserpreis auch das Regenwasser enthält das von den „betroffenen“ Grundstücken abgeleitet wird, gibt es nicht!
Brandenburger meint
Niederschlagswasser
In Berlin rechnen die Wasserbetriebe nach Dachfläche zum einen ab. Zum anderen frage ich mich, wer wohl die Regentage zählt und dann noch in jedem einzelnen Bezirk bzw. im ländlichen Bereich bei den amtsverwalteten Gemeinden. Denn, wenn es in Berlin-Mitte regnet, muss das in den Außenbezirken nicht auch so sein. Die Jahresmenge wird sicher sehr unterschiedlich sein von Kommune zu Kommune.
Darüber hinaus stellt sich die Frage zum einen für den Mieter (als erster in der Nahrungskette) der die Umlage dieser Betriebskosten zahlen muss/soll. Aber das ist Zivilrecht.
Interessanter stellt sich die Sache für den Vermieter dar, sowohl in verfassungsrechtlicher, als auch in verwaltungsrechtlicher und ggf. auch in zivilrechtlicher Hinsicht. Regen – und das dürfte unstrittig sein – ist ein freies Gut. Wenn er aus allen Wolken fällt kann ihn jeder einfangen mittels Tonnen, Eimer, Mund und braucht nichts dafür zu bezahlen. Warum soll eigentlich der Vermieter an den Wasserberieben / Zweckverbänden Niederschlagwasser bezahlen, wenn letztere diesen doch umsonst, für Lau erhalten? Das Regenwasser mit dem Aufwand gereinigt werden muss wie Abwasser kann nicht die Begründung sein.
Somit lassen sie sich zum einen das Regenwasser kostenlos liefern, erhalten es auch für Lau, lassen sich obendrein als Niederschlagswasser bezahlen und verkaufen es als Trinkwasser.
In Berlin soll jetzt ein Gesetz verabschiedet werden zur kompletten Offenlegung aller Belange mit Ausnahme bestimmter Daten.
Herr Nippel, schon mal drüber nachgedacht sich den „eigenen“ Wasseverband vorzuknöpfen? Oder wäre die Idee zu abwägig?
LG Brandenburger
Bernd meint
Hallo,
nun habe auch ich einen solchen Erhebungsbogen bekommen. Allerdings ist das Flurstück mit 3 Reihenhäusern bebaut, wobei jeder Eigentümer einen bestimmten Anteil am Grundstück (Flurstück) im Grundbuch eingetragen hat.
Natürlich hat das beauftragte Ingenieurbüro diese Anteile NICHT berücksichtigt, sondern jedem Eigentümer einen Erhebungsbogen mit den gesamten Flächengrößen zugeschickt.
Nun soll ich also für die gesamten Flächen unterschreiben!
Erschwerend kommt hinzu das die verschiedenen Anteile unterschiedlich versiegelt sind (einer hat ne Garage, andere nicht…)
Gibt es dazu schon irgendwelche Infos wie man in diesem Fall weiter vorgeht?
MfG,
Bernd