Das Bundesverwaltungsgericht entschied in drei Fällen, welches der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung von Punkten im Verkehrszentralregister ist, der Tag der Begehung des Verkehrsverstoßes (sog. Tattagprinzip) oder der Tag seiner rechtskräftigen Ahndung (sog. Rechtskraftprinzip). Maßgeblich ist nach den Urteilen der Tattag.
I. BVerwG 3 C 3.07
Ein Punktabzug wegen der Teilnahme an einem Aufbauseminar war nicht möglich, weil zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung die 15-Punkte Grenze überschritten war (Rdnrn. 25 bis 27):
„Von diesem Punktestand war nicht deshalb ein Abzug vorzunehmen, weil der Kläger an einem Aufbauseminar teilgenommen und hierüber eine am 30. Mai 2003 ausgestellte Teilnahmebescheinigung vorgelegt hatte.
Die Voraussetzungen für einen solchen Punkterabatt regelt § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG. Nehmen Fahrerlaubnisinhaber vor Erreichen von 14 Punkten an einem Aufbauseminar teil und legen sie hierüber der Fahrerlaubnisbehörde innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Seminars eine Bescheinigung vor, werden ihnen bei einem Stand von nicht mehr als 8 Punkten 4 Punkte und bei einem Stand von 9 bis 13 Punkten 2 Punkte abgezogen. Nach § 4 Abs. 4 Satz 4 StVG ist für den Punktestand das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.
Für den Punktestand zu diesem Stichtag und den davon abhängigen Umfang des Punktabzuges kommt es ausschließlich darauf an, welche mit Punkten zu bewertende Verkehrsverstöße der Betroffene zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung begangen hat (sog. Tattagprinzip); es ist nicht erforderlich, dass die Verkehrsverstöße zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig geahndet sind. Das ergibt sich zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Vorschriften, aber aus dem Sinn und Zweck der Regelungen.“
II. BVerwG 3 C 21.07
Auch derjenige, der nach einer sogenannte „Tilgungsmittelung“ vom Kraftfahrt-Bundesamt eine Entziehungsverfügung erhält (also zu einem Zeitpunkt, da er eigentlich nicht mehr „genügend Punkte hat“) – muss mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen, denn es kommt nicht auf den Zustand zum Zeitpunkt der Entziehungsverfügung, sondern auf den Zeitpunkt, da die Punktgrenze überschritte wurde an (also auf den „Tattag“, Rdnrn. 9 und10):
„Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Hat ein Fahrerlaubnisinhaber im Verkehrszentralregister 18 Punkte erreicht, so ist die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zu entziehen. Eine spätere Tilgung von Punkten ist hierfür ohne Bedeutung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Tilgung vor oder nach dem Erlass der Entziehungsverfügung eingetreten ist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht daher nicht im Einklang mit Bundesrecht, soweit es den Erlass des Ausgangsbescheides als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage angesehen hat (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da danach eine vor diesem Zeitpunkt eingetretene Tilgung zu berücksichtigen wäre. Das angegriffene Urteil entspricht jedoch im Ergebnis der Rechtslage.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310) gilt der Betroffene, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dass eine später eintretende Tilgung von Punkten daran nichts mehr ändert, ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut dieser Norm, ihr Sinn und Zweck lässt jedoch keinen anderen Schluss zu.“
III. BVerwG 3 C 34.07
Das dritte Urteil des BVerwG betraf die Frage ob vier oder zwei Punkte wegen der Teilnahme an einem Aufbauseminar abgezogen werden konnten (Rdnr. 12):
„Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar setzen die Maßnahmen, die die Fahrerlaubnisbehörden nach § 4 Abs. 3 StVG beim Erreichen der dort genannten Punktzahlen zu treffen haben, rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße voraus. Doch bestimmt sich die Möglichkeit und der Umfang eines Punktabzugs für die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 4 StVG nicht danach, ob die Rechtskraft bereits zum nach Satz 4 maßgeblichen Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung eingetreten ist. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sind für das Erreichen der in § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG genannten Schwellen vielmehr die Verkehrsverstöße zu berücksichtigen, die zu diesem Stichtag begangen waren, auch wenn sie erst später rechtskräftig geahndet wurden (sog. Tattagprinzip). Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Die der Kostenerhebung zugrundeliegende, auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG gestützte Verwarnung des Klägers war rechtmäßig.“
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