Die Heranziehung von Hinterliegergrundstücken zu den Straßenreinigungsgebühren wird oft als ungerecht empfunden. Verschiedene Fallkonstellationen sind denkbar.
Der Satzungsgeber kann nicht alle tatsächlichen Sachverhalte regeln. Der Satzungsgeber ist allerdings gehalten, einen möglichst gerechten Ausgleich zu finden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Eigentümer nicht direkt an die Straße angrenzender Grundstücke ebenso einen Vorteil von der Straßenreinigung haben wie die Eigentümer der direkt anliegenden Grundstücke. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Heranziehung auch von Hinterliegergrundstücken ist daher in Rechtsprechung und Literatur unumstritten. Das VG Gelsenkirchen führt in einem Urteil vom 15. November 2007 (13 K 54/07) zu Bestimmungen einer ehemaligen Mustersatzung aus:
Das für die Ermittlung der Frontmeterlänge gewählte Projektionsverfahren in Form eines fiktiven Frontmetermaßstabes ist mit Art. 3 GG vereinbar. …
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Der satzungsgemäß angewendete sog. Frontmetermaßstab einschließlich des Projektionsverfahrens zur Ermittlung fiktiver Frontmeter ist nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ein zulässiger, insbesondere das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzender grundstücksbezogener Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW, der mit einer bestimmten Kehrstrecke in der Örtlichkeit nichts zu tun hat, sondern allein zur Berechnung der Maßstabseinheiten dient, durch die die ansetzbaren Gesamtkosten der städtischen Straßenreinigung geteilt werden.
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Dennoch kann meines Erachtens die strikte Anwendung des Projektionsmaßstabes unbillig sein. Dazu führt z. B. das VG Koblenz in einem Urteil vom 15. Dezember 2008 (4 K 73/08.KO) aus:
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Gleichwohl kann die rechtmäßige Anwendung des genannten Gebührenmaßstabs unbillig sein. Eine solche Unbilligkeit ist z.B. gegeben, wenn ein Grundstück nur mit wenigen Metern an die Straße angrenzt und einen sehr schrägen Zuschnitt mit einem Winkel von weniger als 45° zwischen den seitlichen Grundstücksgrenzen und der Straße hat. Denn dann führt die senkrechte Projektion von der hintersten Grundstücksecke auf die Straße zu einer fiktiven Frontlänge, die ein Mehrfaches der tatsächlichen Frontlänge beträgt. Eine Unbilligkeit kann ferner vorliegen, wenn ein Anliegergrundstück mit senkrechten Grundstücksseiten im rückwärtigen Grundstücksbereich hinter ein anderes Anliegergrundstück tritt (Teilhinterliegergrundstück), und wenn dieser Teil so schmal oder so atypisch zugeschnitten ist, dass er nicht mehr wie die anderen Grundstücke ortsüblich genutzt werden kann. Generell lässt sich sagen, dass eine sachliche Unbilligkeit dann vorliegt, wenn der Grundstückszuschnitt bei Anwendung des Projektionsverfahrens dazu führt, dass der Gebührenschuldner für dieses Grundstück ein Vielfaches dessen zahlen muss, das auf andere Grundstücke gleicher Flächengröße entfällt (zum Ganzen vgl. VG Leipzig, Urteil vom 22.06.1998 – 6 K 641/91 – juris de).
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Da der Satzungsgeber aber nicht alle denkbaren Fallkonstellationen „ausregeln“ kann, dürfte eine Billigkeitsentscheidung nur in seltenen Fällen in Betracht kommen, wenn tatsächlich der Grundstückseigentümer ein „Vielfaches“ dessen zahlen muss, was auf andere Grundstücke gleicher Flächengröße entfällt (s. o., VG Koblenz).
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