§ 3 Kommunalabgabengesetz (KAG) gibt den Gemeinden in NRW ein eigenes „Steuerfindungsrecht“.
Wo liegen die Grenzen des Steuerfindungsrechts?
Die kommunale Steuerhoheit wird als Bestandteil der Finanzhoheit aus der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG hergeleitet. Nach Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder eine Befugnis zur Steuererhebung hinsichtlich der „Verbrauchssteuern“ und „Aufwandssteuern“. Dieses Recht hat Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden durch § 3 KAG übertragen.
Die gängigsten gemeindlichen Steuern sind Hundesteuern, Vergnügungssteuer und die Zweitwohnungssteuer.
In der jüngeren Vergangenheit wurde das Steuerfindungsrecht der Gemeinden insbesondere im Hinblick auf die Zweitwohnungssteuer thematisiert. So entschied das Bundesverwaltungsgericht am 13. Mai 2009 in einem Urteil zu dem „Aufwandsbegriff“ in Art. 105 Abs. 2 a GG:
1. Die Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG kennzeichnet das Anknüpfen an den Aufwand, der der persönlichen Lebensführung dient und über das hinausgeht, was zur gewöhnlichen Lebensführung erforderlich ist. Die Motivation hierfür bleibt außer Betracht. Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eines „allein vom Konsumwillen des Steuerpflichtigen“ veranlassten Aufwands kennt das Recht der Aufwandsteuer nicht.
2. Der Satzungsgeber darf im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Zweitwohnungssteuerpflicht auch ohne Rücksicht auf die einzelnen Umstände der Wohnungsnutzung von den melderechtlichen Erklärungen des Steuerpflichtigen abhängig machen. Bundesrecht ist nur dann verletzt, wenn selbst nachweislich unrichtige melderechtliche Verhältnisse für die Steuerpflicht maßgebend sind (wie Urteil vom 17. September 2008 BVerwG 9 C 17.07 Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 24).
3. Eine Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG für das Innehaben einer Zweitwohnung setzt die rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über eine Erstwohnung nicht voraus (wie Urteil vom 17. September 2008, a. a.O.).
4. Das nach dem Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahin gehende Bestimmung des Verwendungszweckes der Zweitwohnung voraus. Eine solche Festlegung kann nur derjenige treffen, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann (wie Urteil vom 13. Mai 2009 BVerwG 9 C 8.08).
5. Für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer kommt es nicht darauf an, ob das Innehaben der Zweitwohnung im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet und ob der Steuerpflichtige die Mittel hierfür selbst aufbringt oder von anderen erhält. Steuergegenstand ist nicht das Einkommen oder Vermögen des Steuerpflichtigen, sondern der in dem Innehaben der Zweitwohnung liegende Aufwand.
6. Das Gebot der Steuergleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, wenn ein Satzungsgeber die Zweitwohnung Studierender der Zweitwohnungssteuer unterwirft, dem therapeutischen Wohnen dienende Nebenwohnungen aber aus der Besteuerung herausnimmt. In der sozialpolitischen Zielsetzung, bestimmte hilfebedürftige Personengruppen von der Steuerpflicht auszunehmen, liegt ein zulässiges sachliches Differenzierungskriterium.
Pfister meint
Hallo,
ist es richtig, dass in Bayern „Geringverdiener“, Verheirate bis 33.000,00 Einkommen, von der Zweitwohnungssteuer auf Antrag befreit werden?
Ihre Antwort interessiert mich sehr.
Besten Dank für Ihre Mühe.
Mit freundlichen Grüssen.
W. Pfister
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Pfister,
danke für die Frage!
Die Zweitwohnungssteuer ist eine kommunale Steuer – also kann es eine derartige Regelung „in Bayern“ nicht geben. Die Gemeinden schaffen die Satzung und ziehen die Steuer ein. Die Gemeinden befinden also auch über die Befreiungstatbestände.
Allerdings ist es dem kommunalen Satzungsgeber „gleichwohl unbenommen, Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände zu schaffen (mit weiteren Hinweisen), die freilich ihrerseits gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.“ (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2010, 1 BvR 529/09 zur Erhebung der Zweitwohungssteuer in sog. „Kinderzimmerfällen“).
„Gleichheitsgerecht“ müssen die Satzungen ausgestaltet werden – also müsste jetzt ggf. weiter geprüft werden, ob die von Ihnen genannte Regelung so in Ordnung ist.
Grüße
Sönke Nippel
Brandenburger meint
Hallo Herr Nippel,
Gemeinde G in Brandenburg erhöht und beschließt den Hebesatzsatz für die Grundsteuer. Die Satzung ist nicht(!) unterschrieben aber öffentlich bekannt gemacht. Jedoch fehlt der Passus bzw. § der besagt, dass die Satzung überhaupt in Kraft treten soll, also bespw. § 10 Die Satzung tritt (mit Veröffentlichung oder zum) in Kraft.
Frage: Ist die Satzung ohne Unterschrift und ohne diesen Passus dennoch in Kraft getreten?
Auf Grund des Änderungsbescheides wurde Widerspruch erhoben. Auf diesen Widerspruch wurde mit einer Pfändung und Überweisung reagiert des Vollzugsbeamten. Ein Abänderungs- oder Widerspruch bescheid erging nicht. Auch nicht nach nunmehrca. 15 Monaten.
Frage: Soll trotzdem Verpflichtungsklage eingereicht werden oder sehen Sie einen (oder mehrere) taktisch besseren Weg?
Frage: Wie ist § 53 I S2. Alt. 2 VwVfG zu verstehen?
Vielen Dank im Voraus für die Antwort.