Aus dem Anspruch auf Zulassung zu einer bestimmten Schulart ergibt sich noch kein Recht auf Zugang zu einer bestimmten Schule. Die Wahlfreiheit findet ihre Grenzen dort, wo die Aufnahme des betreffenden Schülers zu einer Gefährdung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der aufnehmenden Schule führen würde.
Sind die Kapazitäten einer bestimmten Schule erschöpft, so muss in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes nach sachgerechten Kriterien darüber entschieden werden, welche Bewerber die freien Plätze erhalten. Die Aufnahme in eine Schule kann abgelehnt werden, wenn ihre Aufnahmekapazität erschöpft ist oder die Zahl der Anmeldungen die Mindestgröße unterschreitet, § 46 Abs. 2 S. 1 SchulG NW. Besondere Aufnahmevoraussetzungen und Aufnahmeverfahren für einzelne Schulstufen oder Schulformen sowie Aufnahmekriterien bei einem Anmeldeüberhang können in der jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnung geregelt werden, § 46 Abs. 2 S. 2 SchulG NW.
Gerichte müssen sich oft mit der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens beschäftigen. Der Gesetz- und Verordnungsgeber kann eine Hierarchie von Kriterien vorgeben oder festlegen, welcher Anteil der zu vergebenden Plätze nach welchen Kriterien verteilt werden soll (s. o. § 46 Abs. 2 S. 2 SchulG NW). Wenn der Gesetz- und Verordnungsgeber zu den Auswahlkriterien allerdings keine Bestimmungen getroffen hat, so bleibt den Schulen ein weiter Spielraum, der allerdings Willkür keine Chance geben sollte.
Die Gleichbehandlung bei der Auswahlentscheidung der Schule wird sich oft nur dadurch erreichen lassen, dass die freien Plätze nach Berücksichtigung individueller Härtefälle nach dem Zufallsprinzip verteilt werden. Dabei kann auch auf ein Losverfahren zurückgegriffen werden. Beispielhaft sollen hier zwei Urteile und ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf benannt werden, die sich unter anderem mit dem Losverfahren beschäftigen:
- In einem Urteil vom 5. November 2008 (18 K 3662/08) musste sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit der Kritik der Eltern an dem Auswahlverfahren des Gymnasiums „ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen“ auseinandersetzen. Außerdem beanstandeten die Eltern, eine Dokumentation des Losverfahrens sei überhaupt nicht erfolgt:
[Rdnr. 25] So ist es zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Mädchen und Jungen die bei den Anmeldezahlen bestehende erhebliche Differenz (98 Mädchen zu 69 Jungen) auch bei der Aufnahmeentscheidung abgebildet hat (78 Mädchen zu 49 Jungen). Diese Vorgehensweise erscheint weder sachfremd noch willkürlich, zumal hiermit eine Benachteiligung der Mädchen durch überproportionale Abweisungen vermieden wurde. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht zu Lasten der Klägerin verletzt worden, da sich für die Klägerin die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme durch das gewählte Verfahren sogar noch erhöht hat.
[Rdnr. 26] Ein Ermessensfehler folgt auch nicht aus dem Einwand, dass das vom Beklagten in seinem Dienstzimmer allein durchgeführte Losverfahren wegen fehlender Dokumentation nicht transparent und damit nicht überprüfbar sei. Denn für die Kammer sind begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Losverfahrens nicht greifbar. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung eingehend und nachvollziehbar dargelegt, dass er, nachdem er das Verhältnis der aufzunehmenden Mädchen und Jungen (s.o.) festgelegt hatte, auf seinem Schreibtisch zwei Stapel mit Anmeldungen von Jungen und Mädchen gebildet habe. Anschließend seien aus jedem Stapel heraus die Anmeldungen als “ Lose“ ohne Ansehung der Person gezogen worden, wobei die Stapel nicht nach irgendeinem System, etwa dem Alphabet, geordnet gewesen seien.
- In einem weiteren Urteil vom 2. Dezember 2009 (18 K 3898/09) setzte sich das Verwaltungsgericht mit der Frage auseinander, ob die Aufnahmeentscheidung einer Gesamtschule von einem Losverfahren abhängig gemacht werden kann, in dem zwei Leistungsgruppen nach einem Notendurchschnitt gebildet wurden:
[22] Soweit der Kläger die Bildung von Leistungsgruppen und seine ordnungsgemäße Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsgruppe bezweifelt, entspricht das nicht den dem Gericht vorgelegten Unterlagen. Denn danach gehörte der Kläger mit einem Notendurchschnitt von 2,4 zur Leistungsgruppe der Schüler mit einem Notendurchschnitt bis 2,6. Daran ändert auch sein Vortrag nichts, dass er unter Außerachtlassung der Kopfnoten einen Notendurchschnitt von 2,5 erzielt habe. Denn damit bliebe er auch mit diesem Notendurchschnitt in der entsprechenden Leistungsgruppe.
[23] Das danach von der Beklagten durchgeführte Losverfahren ist entsprechend § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausbildung und über die Abschlussprüfung in der Sekundarstufe I dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dass dieses Losverfahren im einzelnen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, wird nicht substantiert behauptet. Soweit der Kläger eine Voreingenommenheit der Stufenleiterin behauptet, kann dahinstehen, ob eine solche Voreingenommenheit tatsächlich bestanden hat. Denn substantiierte Einzelheiten, wie sch diese – behauptete – Voreingenommenheit tatsächlich ausgewirkt und in welcher Weise sie ihren Niederschlag gefunden haben sollte, werden nicht angegeben und können daher rechtlich nicht überprüft werden.
- Auch in einem weiteren Verfahren kritisierten die Eltern (Beschluss des VG Düsseldorf vom 31. Juli 2007, 18 L 1017/07), dass das Losverfahren nicht transparent durchgeführt worden sei:
[Rdnr. 27] In dem Protokoll werden als Auswahlkriterien aufgeführt ein ausgewogenes Verhältnis der Schülerleistungen, ein ausgewogenes Verhältnis von Jungen und Mädchen, ein ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprachen, soziale Härtefälle und das Losverfahren. Im Folgenden werden dann im Einzelnen die Leistungsgruppen nach Jungen und Mädchen aufgeschlüsselt. Bei der Anwendung des Aufnahmekriteriums sozialer Härtefall“ habe es in diesem Anmeldeverfahren bei den vorgetragenen Berücksichtigungsgründen keine signifikanten Unterschiede gegeben, so dass das Los habe entscheiden müssen. Soweit der Antragsteller die Hinzuziehung weiterer Auswahlkriterien neben dem Losverfahren in der Antragsschrift pauschal bestreitet, dürfte dies angesichts der detaillierten Protokollierung unbeachtlich sein. Dass der Vater des Antragstellers im Rahmen des Anmeldungsgesprächs nicht nach seiner Muttersprache gefragt wurde, ist schon deswegen irrelevant und damit kein Indiz dafür, dass das Kriterium ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprachen“ etwa nicht berücksichtigt wurde, weil jedenfalls im Anmeldeformular ausdrücklich Türkisch als Muttersprache angegeben wurde. Inwieweit das vom Antragsgegner zuletzt durchgeführte Losverfahren nicht transparent ist und vor allem welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben sollen, wird nicht näher konkretisiert. Eine öffentliche“ Durchführung ist insoweit jedenfalls gesetzlich nicht vorgesehen und auch kaum realisierbar. Weshalb es darüber hinaus erforderlich sein sollte, etwa die Umstände des Losverfahrens im Einzelnen offen zu legen, erschließt sich dem Gericht nicht. Dies wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass das Losverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder gar manipuliert wurde. Solche Tatsachen sind indes weder vorgetragen noch ersichtlich.
Matthi Greu meint
Wie begründet sich die Rechtmäßigkeit überhaupt im Rahmen eines Losverfahrens nach Leistung zu gruppieren, insbesondere an Gesamtschulen, also solchen Schulen die leistungsheterogen sein sollen?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Matthi,
ich verstehe es so, dass durch die Bildung von Gruppen nach „Notengrenzen“ und die Berücksichtigung der Gruppen nach bestimmten Vorgaben die Leistungsheterogenität verlässlich erreicht werden kann.
Grüße